MITTWOCH, 7.9.2011 | 19:30 Uhr in der Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule, Karolinenstraße 35| 20357 Hamburg
Eintritt frei. Women Only!
PODIUMSDISKUSSION:
„Frauen im Judentum vergessene Traditionen und neuer Aufbruch?“
In Deutschland sind wir seit Generationen nach der Schoa gewohnt, dass die staatlich anerkannten Jüdischen Gemeinden in ihrer Mehrheit den orthodoxen Kultus bevorzugen. Orthodoxie, wie sie hier heute noch praktiziert wird, bedeutet den Ausschluss der Frauen von der Mitgestaltung der Gottesdienste und Hohen Feiertage. Das Sefer Tora darf von den Frauen nicht berührt werden, sie werden nicht zur Tora-Lesung aufgerufen u.v.m. So manche Divrei Tora haben wir uns, unter dem Vorwand der Auslegung der Parascha oder eines Abschnittes des Talmuds oder der Mischna, anhören müssen, in denen postuliert wurde, dass Frauen unrein seien oder gar, dass Frauen gar keinen Menschen seien. Parallel dazu werden die weiblichen Traditionen des Judentums, die unsere Großmütter noch ganz selbstverständlich praktizierten, aus den Geschichtsbüchern gestrichen. In mühevoller Arbeit haben sich Wissenschaftlerinnen in Deutschland und Israel auf die Suche gemacht nach noch existierenden schriftlichen Belegen für diese Tradition. Für viele von ihnen gab es eine gemeinsame Inspiration zu dieser Suche: Sie selbst kannten aus ihrer Kindheit noch die Großmütter, die als (inoffizielle) religiöse Autoritäten auch von jungen Rabbinern in Streitfragen um Rat ersucht wurden … und ihn geben konnten. Tatsächlich existieren, trotz der Vernichtung der mehrheitlich oralen Tradition während der Schoa, noch heute Gebetbücher für Frauen von Frauen, von Müttern für ihre Töchter, deren Gebete sich den Lebensrealitäten von Frauen widmen.
Diesen Teil unserer Geschichte haben wir verloren.
Eine andere Frage ist unsere eigene Position zur Zurücksetzung der Frauen im Kultus.
Tora und Talmud sind schon immer auf unterschiedliche Weise ausgelegt worden gerade der Talmud bietet sich mit seinen vielen widersprüchlichen Aussagen dafür an.
WIE ausgelegt wird, war durch die Jahrhunderte hindurch schon immer eine Frage der gesellschaftlichen Situation, das zeigen uns die sehr verschiedenen Praktiken in unterschiedlichen Regionen von Italien bis Südamerika oder den mahgrebinischen Gemeinden vor 1900. Nehmen wir „BAT KOL“ ernst, denn was gerne als „Hallstimme“ übersetzt wird, bedeutet nichts anderes als „Tochter der Stimme“, die göttliche Stimme, die hier einen weiblichen Klang hat.
Zu Beginn der Diskussionen werden wir zwei Bücher vorstellen:
- „A Jewish Woman's Prayer Book“ von Aliza Lavie, Gewinnerin des „National Jewish Book Award of Israel“ 2008. Aliza Lavie hat Jahre damit verbracht, in jüdischen Archiven nach den noch erhaltenen Frauen-Gebeten zu suchen und sie für dieses Buch zusammengetragen.
- „Bertha Pappenheim: Gebete“. Hrsg. Von Elisa Kalpheck und Lara Dämmig. Dieser Band trägt die Gebete zusammen, die Bertha Pappenheim in den Jahren 1922 bis 1935 für Frauen geschrieben hat.
Auf dem Podium:
Jalda Rebling (Kantorin, Gründerin des Berliner Minyan "Ohel Hachidusch"), Anna Adam (Künstlerin, Mitgründerin von "Ohel Hachidusch"), Lara Dämmig (Bet Debora, Berlin), Yohana R. Hirschfeld (Gabbait des „Egalitären Minyan Hamburg))
Moderation: Sandra Lustig (Hrsg. von „Turning the Kaleidoscope. Perspectives on European Jewry“)
Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule
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